Geschichte der Physikalischen Medizin


Vorgeschichte und Altertum

  • Bereits bei den alten Germanen aber auch bei den Navaho-Indianer waren Schwitzbäder und Massagen mit religiös-magischen Prozeduren verknüpft. Stattgefunden haben diese Prozeduren unter anderem in Thermal- und Mineralquellen.
  • Die ersten großen öffentliche Badeanlagen sind aus der vorarischen Induskultur bekannt. Dabei ging es um eine körperliche und seelische Reinigung, was man heute als erste Aspekte eines psychosomatischen Konzeptes verstehen kann.
  • Im 6. Jahrhundert vor Christus entwickelte Pythagoras von Samos die Musik-Therapie. Dabei stand die Annahme im Mittelpunkt, dass Gesundheit als Gleichgewicht zu sehen ist und Krankheit als gestörter Zustand. Pythagoras nahm an, dass der Arzt die Wiederherstellung des Gleichgewichtes nur unterstützt, während die eigentliche Heilung durch die angeborene Heilkraft der Natur erfolgt.
  • Zu Zeiten von Hippokrates (460-377 vor Christus) wurden in einem Asklepion auf der Insel Kos Kranke mit Unterwassertherapie behandelt. Auch die Ergometrie war bereits bekannt: Der Patient musste 150 Stufen hinauf und hinunter laufen. Die dabei stehende Sanduhr zeigte den Erfolg. Gemäß mündlicher Überlieferung soll auch schon die elektrische Therapie zur Schmerzbehandlung praktiziert worden sein. Als "Stromquelle" soll der der im Mittelmeer lebende Zitterrochen gedient haben.
  • Asklepiades von Prussa (ca. 100 vor Christus) entwickelte eine Bädertherapie (Benedum) mit Bewegungsbehandlungen und Massagen. Seine Annahme war, dass nicht die Natur, sondern der Arzt das Heilungsgeschehen regiert.
  • Galenos von Pergamon lebte von 129 bis 199 nach Christus. Auf diesen berühmten Arzt der römischen Kaiserzeit geht die Humoralpathologie zurück. Dabei nahm man an, dass Krankheiten auf den aus dem Gleichgewicht geratenen Körpersäfte (Blut, Schleim, Galle) beruhen. Heilverfahren waren unter anderem: Abführen, Aderlass, Schröpfen und Erbrechen.
  • Im 2. Jahrhundert nach Christus erarbeiteten Soranos und Caelius Aurelianus Ansätze einer Rehabilitationsbehandlung mit durchdachter physikalischer Therapie.

Renaissance und frühe Neuzeit

Zunahme der Therapiemöglichkeiten bis zur Gefährlichkeit, Aderlaß, Purgieren, Klistieren.

  • Paracelsus (1494-1541): Arbeiten über Thermal- und Mineralbäder
  • H. Boerhaave (1661-1738): Reiten als Heilmittel
  • Friedrich Hoffmann (1660-1742): Mineralwässer, Hydrotherapie und Bewegungsübungen
  • W. Cullen: Hydrotherapie mit Verabreichung von lebensgefährlichen Mengen Alkohol
  • Van Swieten: Kombiniert Arznei- und Aderlassbehandlungen

Aufklärung, 18. und 19. Jahrhundert

Erwachen des Interesses an natürlichen Heilmitteln, Mitte 18. Jahrhundert: Auftreten der Elektrotherapie

  • J. Floyer: Kaltwasserbehandlungen
  • Wiedereinstieg der kurörtlichen Bäderbehandlung
    Ch. W. Hufeland (1762-1836): Einführung der Seebäder
  • J.G. Kratzenstein: Reibungs-Elektrisiermaschine
    Galvani, Volta, F.A. Mesmer
  • Vinzenz Priessnitz (1799-1851): Kaltwasseranwendungen
  • Sebastian Kneipp (1821-1897): Weiterentwickeln der Hydrotherapie

Geschichte bis zur Gegenwart

Universitäten verschließen sich den natürlichen Heilmethoden nicht mehr.

  • Wilhelm Winternitz in Wien: 3-bändiges "Lehrbuch der Hydrotherapie auf physiologischer und klinischer Grundlage"
  • Ende 19. Jahrhundert: Winternitz erhält den ersten Lehrstuhl für Hydrotherapie an der Universität Wien
  • Gründung des Lehrstuhles für "Hydro-, Mechano- und Elektrotherapie" in München
  • 1925 Eröffnung des Jenaer Universitätsinstitutes für physikalische Medizin

Entwicklung der physikalischen Anwendungen


Hydro-Thermotherapie

  • 1936 in Berlin: Wiederauftauchen der Finnischen Sauna bei den Olympischen Spielen. H. Lampert. In den USA: F. Krusen

Balneotherapie

  • Erste Ansätze einer wissenschaftlichen Untersuchung von Bade- und Trinkkuren durch Paracelsus (16. Jahrhundert)
  • 19. Jahrhundert: Aufschwung der Bäderbehandlung: C. Gollwitz-Meyer, Beneke, Groedel, St. Hediger
  • Beginn 20. Jahrhundert: Schaffung balneologischer Forschungsinstitute in Europa und Japan

Klimabehandlung

  • Ende 18. Jahrhundert, Hufeland: Seebäderbehandlung in der Kinderheilkunde
  • Mitte 19. Jahrhundert, A. Rikli: "Freiluftkur" zur Therapie der Lungentuberkulose
  • Gründung der ersten Tuberkulose-Heilstätte in Görbersdorf (Schlesien) durch H. Brehmer
  • Davos: alpine Klimatherapie durch Spengler
  • Thalasso-Therapie (Meerküstenklima-Therapie)

Hochfrequenztherapie

  • 1892 A. d´Arsonval: Ganzkörperbehandlungen mit hochfrequenten Tesla-Strömen
  • Jahrhundertwende 19./20. Jhdt., V. Zeynek: Diathermie mit langwelligen Hochfrequenzströmen
  • Weiterentwickelt von J. Kovarschik in Wien
  • 1926 Ersatz durch Kurzwellen-Diathermie (aus Fernmeldetechnischen Gründen): E. Schliephaken Deutschland, Scherewsky in den USA
  • Mikrowelle, Ultraschall: Nebenprodukte der Kriegstechnik nach dem 2. Weltkrieg
  • 20 Jahre später Einsatz der Dezimeterwelle

Bewegungstherapie

  • 1778 J. C. Tissot: "Medizinische und Chirurgische Gymnastik"
  • "Turnvater" J. F. Jahn (1778-1852)
  • Anfang 19. Jahrhundert, J.P. Ling: "schwedische Gymnastik"
  • 2. Hälfte 19. Jhdt., J. Stokes: Übungstherapie bei Herzkrankheiten
  • 1865 G. Zander: "medico-mechanische" Therapie mit Apparaten
  • 1904 R. Klapp: Skoliosebehandlung mit Kriechübungen
  • De Lorme (USA): Prinzip der progressiven Widerstandübungen
  • C.A. Lowman: Unterwasser-Bewegungstherapie
  • Kabat, Bobath: Grundlagen neurorehabiliativer Krankengymnastik

Licht-Strahlentherapie

  • 1899 erste Therapie des Lupus vulgaris mit künstlichen UV-Strahlen durch den dänischen Arzt N.R. Finsen (1860-1904)
  • 1902 Bernhard in St. Moritz und 1904 A. Rollier in Leysin: Hochgebirgs-Heliotherapie der Tuberkulose
  • 1920 antirachitischer Effekt der UV-Strahlung wird bekannt

Elektrotherapie

  • 19. Jahrhundert: Niederfrequenzströme in Diagnose und Therapie
    Duchenne und Erb, Lapicque, Bourguinon

Quellen: Information des Institutes für Physikalische Medizin der Krankenanstalt Rudolfstiftung der Stadt Wien;
ORF-Info-Mappe zur Sendung "Der Radiodoktor" v. 15. 12.2003